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Was bringt der «Soft-Start» für die E-Patientenakte?

Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinkt Deutschland hinterher. Für eine zentrale Anwendung für Millionen Versicherte beginnt nun aber die Ausdehnung auf die ganze Republik - schrittweise.

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Elektronische Patientenakte "ePA" Daniel Karmann/dpa

Berlin (dpa) - Untersuchungsbefunde, Medikamente, Röntgenbilder: Für wichtige Gesundheitsdaten gibt es inzwischen elektronische Patientenakten (ePA), die Anfang des Jahres in den Masseneinsatz gingen. Der neue digitale Speicher kann Patientinnen und Patienten ein Leben lang bei allen Ärztinnen und Ärzten begleiten. Doch die meisten haben davon wohl noch gar nicht viel bemerkt. Das soll sich jetzt ändern. Gestartet ist nun ein «Hochlauf», damit die E-Akte nach und nach bald überall in Deutschland zum Standard wird.

Was genau ändert sich jetzt? 

Seit 15. Januar haben 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen, was man für sich auch ablehnen kann. Der konkrete Einsatz in Gesundheitseinrichtungen, die Daten in die E-Akte geben und die Technik im Alltag nutzen, wurde aber vorerst nur in drei Regionen getestet. In Hamburg und Umland, Franken und Teilen Nordrhein-Westfalens beteiligten sich rund 300 Praxen, Apotheken und Kliniken. Nach dem Abschluss der Probephase soll jetzt die bundesweite Ausdehnung folgen.

Wie läuft die Ausweitung? 

Der Übergang auf die gesamte Republik kommt nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) spricht von einem «Soft-Start»: Einige Praxen könnten die ePA sofort benutzen, andere müssten noch ein Modul installieren. Gebraucht werden auch Software-Updates. Dieser Prozess dürfte mehrere Wochen dauern, wie die mehrheitlich bundeseigene Digitalagentur Gematik erläutert. Befüllen können die Einrichtungen die ePA vorerst auf freiwilliger Basis. Eine gesetzliche Pflicht greift dann ab 1. Oktober. 

Warum kommen überhaupt E-Akten?

Für den scheidenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der die Großoperation noch umsetzte, bringt die ePA eine «Zeitenwende» in der Digitalisierung. «Patienten bekommen endlich einen Überblick über ihre Daten und Befunde. Ärztinnen und Ärzte können bessere Entscheidungen treffen.» Bisher kommen Patienten oft mit Ausdrucken in die Praxen oder haben gar keine Unterlagen parat. Ziel ist daher, verstreute oder fehlende Daten zu bündeln und bessere Behandlungen zu ermöglichen. Mehrfachuntersuchungen und Medikamenten-Wechselwirkungen sollen so ebenfalls vermieden werden.

Was kann man mit der ePA machen?

Patientinnen und Patienten können in ihre ePA schauen, müssen es aber nicht. Einsehen kann man sie über eine App der Kasse etwa auf dem Smartphone. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, rät Versicherten, die ePA auch aktiv zu nutzen. «So können sie sehen, welche Daten in ihrer Akte hinterlegt sind und sind viel besser über die eigene Gesundheit informiert.» Was Ärzte einstellen und wer worauf zugreifen darf, kann jeweils festgelegt werden. Bei einem Kassenwechsel kann man seine gespeicherten Daten auch mitnehmen. 

Wie funktioniert es mit der ePA in den Praxen?

Wenn man die Versichertenkarte am Anmeldetresen der Praxis einsteckt, bekommen Ärzte ein Zugriffsrecht zum Lesen und Befüllen der ePA für standardmäßig 90 Tage. Die Spanne kann man per App verkürzen und verlängern. Wer die Smartphone-Anwendung nicht selbst bedienen will, kann etwa Angehörige damit betrauen. Auch Kinder bekommen eine ePA, wenn die Eltern nicht widersprechen, ab 15 können sie selbst entscheiden. Zum Schutz von Kindern können bestimmte sensible Angaben nicht eingetragen werden.

Was kommt in die E-Akte hinein?

Von Anfang an soll eine Liste der Medikamente enthalten sein, die automatisch aus den inzwischen üblichen E-Rezepten erstellt wird. Schrittweise sollen weitere Inhalte dazukommen - als nächstes ein Medikationsplan mit Angaben etwa zu Arznei-Dosierungen. Generell sollen Ärztinnen und Ärzte wichtige Behandlungsdaten in die E-Akte einstellen. Die KBV weist zugleich darauf hin, dass die ePA als «versichertengeführte» Akte die Dokumentation jeweils in den eigenen Praxissystemen nicht ersetzt. Auch eine direkte Kommunikation zwischen Praxen bleibe wichtig, zumal Versicherte Daten löschen können.

Wie kann man steuern, was die E-Akte zeigt?

Generell ist die E-Akte für Patienten eine freiwillige Sache. Wenn man etwas nicht möchte, muss man dafür aber aktiv werden. So können Patienten in der Sprechstunde bestimmen, wenn ein Befund nicht in die Akte soll. Bei sensiblen Daten müssen sie ausdrücklich auf das Recht dazu hingewiesen werden. In der App kann man Einstellungen festlegen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagte fehlende Möglichkeiten, einzelne Dokumente nur bestimmten Ärzten zu zeigen. So könne ein Orthopäde sehen, wenn man in psychotherapeutischer Behandlung ist. Es bleibe nur, ihm den Zugriff auf die ePA komplett zu sperren. 

Was ist mit der Datensicherheit?

Lauterbach unterstreicht: «Sicherheit geht immer vor.» Während der Testphase wurden dafür noch zusätzliche Vorkehrungen umgesetzt. So sei es gelungen, Sicherheitsprobleme für einen Massenzugriff auf ePAs zu lösen, die der Chaos Computer Club herausgearbeitet hatte. Gespeichert werden die Daten laut Ministerium auf Servern im Inland. Jeder Zugriff auf die ePA wird mit Datum und Uhrzeit protokolliert. Bei der ersten Anmeldung in der App brauchen Versicherte einen elektronischen Personalausweis mit Geheimnummer (Pin) - oder die E-Gesundheitskarte mit Pin, die man auf Antrag von der Kasse bekommt. 

Kommt jetzt ein Durchbruch?

Aktuell gibt es laut Gematik bis zu 60.000 Zugriffe auf ePAs pro Tag. Künftig sollen es mit der bundesweiten Ausdehnung viel mehr werden. Dabei waren E-Akten als Angebot, um das man sich aktiv kümmern muss, nach jahrelangen Verzögerungen schon 2021 eingeführt worden. Sie wurden aber kaum genutzt. Ein Gesetz der Ampel-Koalition kehrte das Prinzip um: Nun bekommen alle eine ePA, außer man lehnt es aktiv bei seiner Kasse ab. Die Widerspruchsquote lag im Schnitt bei fünf Prozent. Aus Sicht der Verbraucherzentralen zeigt das nicht eindeutig eine breite Zustimmung, es könnte auch mangelnde Information und Aufklärung sein. Auch private Krankenversicherungen können ePAs anbieten.

Was ist bei Daten für die Forschung geplant?

Vorgesehen ist in einer nächsten Ausbaustufe wohl 2026, dass Daten aus der ePA zu Forschungszwecken an eine zentrale Stelle weitergeleitet werden. Sie werden dafür pseudonymisiert verwendet, wie das Ministerium erläutert - also ohne direkt personenbeziehbare Angaben wie Name und Adresse. Versicherte können auch dieser Datennutzung in der App oder bei einer Ombudsstelle der Krankenkasse widersprechen. Lauterbach sieht enorme Chancen für die Forschung mit großen Datenbeständen und künstlicher Intelligenz.

© dpa-infocom, dpa:250429-930-475671/2