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«X-odus»: Der schwierige Abschied von Elon Musks X-Plattform

X, dem ehemaligen Twitter, wurde schon öfter ein Abstieg in die Irrelevanz vorhergesagt. Zuletzt kehrten erneut etliche prominente User der Plattform den Rücken. Doch wohin soll man wechseln?

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Plattform X Monika Skolimowska/dpa

Berlin (dpa) - Stephen King ist nicht nur einer der erfolg­reichsten Schriftsteller der Welt, sondern auch eine Social-Media-Ikone. Allein auf der X-Plattform von Elon Musk (ehemals Twitter) hat der Meister des Horrorromans mehr als sieben Millionen Follower. Doch nun hat King von X die Nase voll: «Ich verlasse Twitter. Ich habe versucht zu bleiben, aber die Atmosphäre ist einfach zu giftig geworden.»

King ist nicht der einzige Promi, der X den Rücken kehrt: Unter den X-Abtrünnigen befinden sich auch Schauspielerin Jamie Lee Curtis, Hollywood-Star Jim Carrey oder Musiker Moby. 

Auch der Fernsehjournalist Don Lemon gab bekannt, dass er die Plattform verlassen wolle und sagte, er habe das Gefühl, dass X nicht länger ein Ort für «ehrliche Debatten und Diskussionen» sei. 

Jamie Lee Curtis postete auf Instagram einen Screenshot ihrer Kontolöschung bei X und schrieb dazu: «Gott, gib mir die Gelassenheit, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann. Mut, Dinge zu ändern, die ich kann. Und die Weisheit, den Unterschied zu erkennen.» Und während viele Medien weiter Links zu ihren Beiträgen bei X veröffentlichen, ging die britische Zeitung «Guardian» von Bord.

X-Aussteiger in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es prominente X-Aussteiger: Das Spektrum reicht von den Fußball-Bundesligavereinen SV Werder Bremen und FC St. Pauli über die Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) bis hin zu Unternehmen wie Aldi Nord. Die Supermarkt-Kette war enttäuscht darüber, dass die Plattform von Elon Musk nichts gegen diskriminierende und rassistische Kommentare zu Models in einem Aldi-Prospekt unternommen hatte. 

Der Hamburger Kiez-Club war seit 2013 auf der Plattform aktiv und hatte rund 250.000 Follower. Inhaber Elon Musk habe aus einem Debatten-Raum einen Hass-Verstärker gemacht, erklärte der Verein. «Rassismus und Verschwörungslegenden verbreiten sich ungehindert oder werden sogar kuratiert. Beleidigungen und Drohungen werden kaum sanktioniert und als vermeintliche Meinungsfreiheit verkauft.»

Social-Media-Berater Martin Fuchs beobachtet, dass das ehemalige Twitter seit dem Einstieg von Elon Musk kontinuierlich in Deutschland an Relevanz, Reichweite und an relevanten Stimmen verloren habe. 

Unter den Aussteigern sind wichtige Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Politikerinnen und Politiker - aber auch Journalistinnen und Journalisten. «Nichtsdestotrotz bleibt X - Stand heute - der wichtigste Ort der Meinungseliten für politischen Echtzeit-Diskurs in Deutschland», sagt Fuchs. Das sei auch der Grund, warum etwa die SPD und auch der Grünen-Politiker Robert Habeck zu X zurückgekehrt seien.

Wie stark ist der «X-odus»?

Simon Hurtz, Experte vom Social Media Watchblog, sagt, niemand könne seriös vorhersagen, wie nachhaltig der «X-odus» am Ende sein werde. «Aber klar ist: Je größer der Account, desto wichtiger das Signal.» Wenn Politikerinnen und Politiker, Prominente oder Behörden ihre X-Konten stilllegten, löse das mediale Debatten aus und habe womöglich Vorbildcharakter. «Eine Plattform wächst mit der Relevanz, die ihr die Nutzer zusprechen.»

Unklar bleibt aber nicht nur die Weiterentwicklung von X, sondern auch, wer die enttäuschten X-Userinnen und User mehrheitlich einsammeln kann. 

Stephen King verabschiedete sich von X in Richtung Threads, der Alternativ-Plattform des Facebook-Konzerns Meta. Der Dienst, der zunächst auf Instagram aufsetzte, bewegt sich auf die Marke von 300 Millionen Nutzern zu. Meta-Chef Mark Zuckerberg will die Gunst der Stunde nutzen und stellte die Möglichkeit in Aussicht, gesonderte Feeds für bestimmte Themen oder Profile zu erstellen.

Andere bevorzugen die quelloffene, nichtkommerzielle Plattform Mastodon. Zu den großen Gewinnern gehört aber vor allem das Start-up Bluesky. Dort sind künftig auch Jamie Lee Curtis, Werder Bremen und der FC St. Pauli zu finden.

Gewinner Bluesky

Bluesky verzeichnet inzwischen rund 20 Millionen Nutzer. Im Vergleich zu X und Threads ist der Dienst noch relativ klein, wächst aber schnell. Im September hatte Bluesky insgesamt nur zehn Millionen Nutzer. Eine Woche nach der Wahl war Bluesky die bestplatzierte kostenlose App im App-Store von Apple - zumindest in den USA. Aber auch in Deutschland steht Bluesky im Segment «Soziale Netzwerke» aktuell auf Platz zwei - hinter Threads von Meta, aber vor Telegram, WhatsApp, Facebook, Discord und Signal.

Martin Fehrensen, Gründer des Social Media Watchblog, weist darauf hin, dass es bereits direkt nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk eine Vielzahl von sogenannten Early Adoptern (Früh-Anwendern) gegeben habe, die bei Bluesky eine neue digitale Heimat gesucht hätten. «Letztlich konnte aber bislang keine kritische Masse erreicht werden.» 

Die aktuelle Dynamik sei allerdings nicht mehr mit der Situation vor einem Jahr zu vergleichen, sagt Fehrensen. «Glich Bluesky vor einem Jahr noch der größten WhatsApp-Gruppe Deutschlands, könnte sich Bluesky nun tatsächlich zur neuen digitalen Heimat vieler "Twitter-Fans" entwickeln.»

Das Netz ändert sich

Aber auch unabhängig von der Kritik am politischen Kurs von Elon Musk, der Donald Trump im Wahlkampf enorm unterstützt und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf Deutsch auf X als «Narr» verunglimpft hat: X muss sich ändern, um relevant zu bleiben. «Das Netz hat sich weitergedreht, Video hat Text abgelöst», sagt Experte Hurtz. «Ein "Kurznachrichtendienst" wird wohl nie wieder die politische, gesellschaftliche und mediale Bedeutung erlangen wie Twitter vor zehn Jahren.»

Communitys verteilen sich nach Einschätzung von Hurtz inzwischen über verschiedenste Plattformen. «Es ist eindeutig zu früh, um endgültig zu sagen, für welche Themen welches Netzwerk die beste Anlaufstation ist. Auf Bluesky kann man sich prima über deutsche Politik austauschen, bislang mit deutlich linksliberalem Einschlag.» Das führe zu überwiegend zivilisierten Diskussionen, könnte konservative Politikerinnen und Politiker aber abschrecken. «Wie viel Meinungspluralität auf der Plattform entsteht, muss sich zeigen.»

© dpa-infocom, dpa:241120-930-293825/1