Bürgerentscheid: Letzter Nationalpark-Standort vom Tisch
Es war die wohl letzte Chance für einen zweiten Nationalpark in NRW: Auch bei einem Bürgerentscheid am Niederrhein ist das Projekt der schwarz-grünen Landesregierung durchgefallen. Und jetzt?
Kleve (dpa/lnw) - Nach einem Bürgerentscheid am Niederrhein ist der letzte mögliche Standort für einen zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen aus dem Rennen. Eine Mehrheit von 52,7 Prozent der Menschen im Kreis Kleve habe sich dagegen ausgesprochen, dass der Reichswald als Nationalpark ausgewiesen wird, teilte die Kreisverwaltung mit.
Damit ist das Projekt der schwarz-grünen Landesregierung wohl vom Tisch, denn alle anderen Regionen in NRW, die das Land als geeignet eingestuft hatte, haben ebenfalls bereits abgelehnt. Gegen den Willen der Regionen will die Landesregierung die Nationalpark-Idee nicht durchdrücken.
Umweltminister Krischer: «Große Chance vertan»
Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) reagierte enttäuscht. «Ich respektiere das Ergebnis, auch wenn es schade ist, weil eine große Chance für mehr Naturschutz, Tourismus und Wertschöpfung vertan wird», sagte der Minister. Der Naturschutzbund (Nabu) betonte, NRW sei schon jetzt das bundesweite Schlusslicht beim Schutz von Wildnisgebieten. Nun verliere das Land «weiter an Anschluss im bundesweiten Vergleich».
Die oppositionelle SPD im NRW-Landtag machte Krischer selbst dafür verantwortlich, dass die Standortsuche für einen Nationalpark gescheitert ist. «In keiner einzigen Region ist es dem obersten Umweltschützer des Landes gelungen, vom Prestige-Projekt seiner Partei zu überzeugen», sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider. Die größten Nationalpark-Gegner seien allerdings die CDU und ihre Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen gewesen.
265.000 Wählerinnen und Wähler im Kreis Kleve waren aufgerufen, ihre Stimme bei dem Bürgerentscheid abzugeben. 41,8 Prozent von ihnen haben laut Kreis eine gültige Stimme abgegeben.
Nutzen für die Natur oder Schaden für die Wirtschaft?
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte die Ausweisung eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch ein Herzensanliegen war das Projekt nur für die Grünen und vor allem für Umweltminister Krischer.
Aus Sicht der Befürworter wäre ein Nationalpark ein wichtiger Baustein gewesen, um die Artenvielfalt zu verbessern - denn dort steht die Natur unter größtmöglichem Schutz. Wälder und Landschaften dürfen wieder ein Stück weit verwildern. Auch der Tourismus werde angekurbelt, argumentieren die Befürworter. Bislang gibt es in NRW einen Nationalpark in der Eifel.
Kritiker fürchten Einschränkungen für die Wirtschaft
Die CDU und die FDP hatten in den Kreistagen der sechs betroffenen Regionen hingegen vehement gegen einen Nationalpark argumentiert. Auch Land- und Forstwirte hatten den Protest dagegen organisiert. Die Kritiker fürchteten durch einen Nationalpark Einschränkungen für die örtliche Wirtschaft.
So darf in einem Nationalpark bis auf wenige Ausnahmen keine Forstwirtschaft betrieben werden, Windräder dürfen nicht aufgestellt werden, und auch für Wanderer und Radfahrer sind kleinere Einschränkungen zugunsten der Natur möglich.
Artenschutz soll nun in den Mooren gelingen
Aufgeben will Umweltminister Krischer den Artenschutz trotz des Rückschlags aber nicht. «Der Schutz unseres Naturerbes bleibt ein zentrales Ziel der Landesregierung, das wir weiter vorantreiben mit den vielen engagierten Menschen im Land», versicherte der Grünen-Politiker. «Unsere biologische Vielfalt ist akut gefährdet.» Deshalb gehe es nun darum, etwa die Moore im Land weiterzuentwickeln und Schutzflächen auszubauen.
Stattdessen könnten nun die Moore stärker in den Fokus rücken. Denn eine Renaturierung von Mooren würde ebenfalls zur Bewahrung der biologischen Vielfalt und zu einem natürlichen Klimaschutz beitragen, hatte Krischer bereits im Vorfeld gesagt. Das Ziel, die biologische Vielfalt im Land zu schützen, wäre nicht gescheitert, nur weil es keinen zweiten Nationalpark gäbe.
Sechs Regionen waren im Rennen
Das Land hatte ursprünglich sechs Regionen benannt, die aus Sicht der Regierung grundsätzlich geeignet für das ambitionierte Natur- und Artenschutzprojekt gewesen wären: der Rothaarkamm in Siegen-Wittgenstein, das Ebbegebirge sowie der Arnsberger Wald im Sauerland, der Hürtgenwald im Kreis Düren, das Eggegebirge in Ostwestfalen-Lippe und eben der Reichswald in Kleve - das größte zusammenhängende Waldgebiet am Niederrhein.
Doch in allen Regionen haben sich die Gegner durchgesetzt. Dass noch eine weitere Region von sich aus Interesse bekundet, ist nicht absehbar. «Als Landesregierung haben wir immer gesagt, dass die Entscheidung über einen Nationalpark bei den Menschen liegt», betonte Krischer.