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Fast jede zweite NRW-Gemeinde hat die Grundsteuer B erhöht

NRW gilt als Hochsteuerland. Der Bund der Steuerzahler hat die aktuellen Hebesätze für die Grundsteuer in NRW überprüft und sieht akuten Anlass für staatliches Handeln.

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Fast jede zweite Gemeinde hat die Grundsteuer B erhöht Bernd Weißbrod/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) - Eigentümer müssen sich nach Überzeugung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) auf höhere Grundsteuern einstellen. «Wir haben festgestellt, dass in diesem Jahr bereits fast jede zweite Gemeinde in Nordrhein-Westfalen ihren Hebesatz für die Grundsteuer B erhöht hat», sagte der stellvertretende Landesvorsitzende, Eberhard Kanski, der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf. Die zum Jahresbeginn greifende Grundsteuer-Reform lasse weitere Verteuerungen und Schieflagen befürchten. 

Neue Dimension im Hochsteuerland Nordrhein-Westfalen 

Das Ausmaß der Erhöhungen habe laut einer aktuellen Auswertung der Hebesätze in den 396 Kommunen des Landes eine seit Jahrzehnten ungekannte Dimension erreicht. Sowohl als «Wohnsteuer» als auch als Standortfaktor für die Unternehmen erfordere diese Größenordnung dringend staatliches Gegenlenken. 

«Die Zunahme lässt alle Dämme brechen», bilanzierte der Kommunalfinanz-Experte. «Wir sind wieder bei einer neuen Episode aus der Geschichte: Hochsteuerland Nordrhein-Westfalen.» Hier würden im Durchschnitt die bundesweit höchsten Grundsteuer-B-Sätze erhoben. 

«Wir haben festgestellt, dass zum ersten Mal in der Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens eine Kommune einen Hebesatz von über 1.000 Punkten hat», berichtete Kanski. «1.000 war immer so eine Schallgrenze und die ist in Niederkassel überschritten worden.» Der Hebesatz ist ein entscheidender Faktor bei der Ermittlung der Steuer.

Städte wollen «keine goldenen Wasserhähne finanzieren»

Angesichts jahrelanger Unterfinanzierung bleibe den Kommunen nichts Anderes übrig, als an der Steuerschraube zu drehen, erklärte der Städte- und Gemeindebund NRW. Schließlich seien die gesetzlich dazu verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. «Wenn dann die Kosten durch die Decke gehen und die Politik den Kommunen zusätzliche Aufgaben vor die Tür legt, stellt das die Kämmerer und Ratsleute vor eigentlich unzumutbare Entscheidungen: Entweder sie kappen freiwillige Leistungen oder sie müssen die Steuern erhöhen», argumentierte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer. «Nicht eine Kommune macht das freiwillig oder weil sie goldene Wasserhähne finanzieren will, sondern nur weil sie dazu gezwungen wird.»

Üppige Hebesätze in vielen Regionen

Neben Niederkassel im Rhein-Sieg-Kreis gibt es laut BdSt-Liste auch in vielen anderen Regionen Nordrhein-Westfalens sehr hohe Hebesätze: etwa in den Kreisen Düren, Recklinghausen und Unna sowie etlichen Ruhrgebietsstädten wie Gladbeck, Mülheim, Duisburg oder Herne. Niedrige Hebesätze sind dagegen in den Kreisen Gütersloh, Mettmann und Borken zu finden sowie in Düsseldorf. 

Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und von Eigentümern bezahlt - über die Nebenkosten sind aber auch Mieter letztlich davon betroffen. Ab dem 1. Januar 2025 müssen Grundstückseigentümer in Deutschland die Steuer nach einer neuen Berechnungsmethode bezahlen. Allein in NRW müssen dafür rund 6,5 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. 

In NRW hat der Landtag den Kommunen die Option eröffnet, künftig statt eines einheitlichen Hebesatzes unterschiedliche Sätze für Wohn- und Geschäftsimmobilien festzulegen. Damit soll eine übermäßige Belastung der Eigentümer von Wohnimmobilien vermieden werden. Der Wert von Wohngrundstücken ist in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts im Vergleich zu Gewerbegrundstücken deutlich gestiegen.

Insgesamt soll die Grundsteuer-Reform für die Kommunen «aufkommensneutral» sein. Das heißt, trotz der veränderten Bemessungsgrundlagen sollen ihre Einnahmen insgesamt gleich bleiben. Um das zu gewährleisten, hat das Düsseldorfer Finanzministerium bereits eine Modell-Tabelle veröffentlicht, an der sich die Kommunen orientieren können. 

Aufgrund der zahlreichen Erhöhungen im laufenden Jahr - in 177 von 396 Kommunen - seien die Mustersätze des Finanzministeriums schon wieder veraltet, stellte der BdSt fest. Der Städte- und Gemeindebund kritisiert, das Versprechen der Aufkommensneutralität habe von Beginn an falsche Erwartungen geweckt. Viele Eigentümer hätten das so verstanden, dass sie nach der Reform nicht mehr Steuern zahlen müssten als vorher. «Ob sich für den einzelnen Steuerzahler etwas ändert, hängt aber davon ab, ob die eigene Immobilie an Wert zugelegt hat», stellte Sommer klar.

Wenn es nach den kommunalen Haushaltsberatungen vor Ort zu höheren Hebesätzen komme als die vom Finanzministerium genannten, sollten die Bürger aktiv werden - etwa durch Einwendungen an den Stadtrat, empfiehlt der Steuerzahlerbund «Die Bürger haben tatsächlich auch einige Pfeile im Köcher, die sie abschießen können», betonte Kanski. 

Die teuersten und die günstigsten Gemeinden

Die höchsten Hebesätze für die Grundsteuer B haben laut Auswertung des Steuerzahlerbundes derzeit Niederkassel (1100) und Alfter (995) - beide im Rhein-Sieg-Kreis sowie Xanten im Kreis Wesel (995). Am günstigen Ende der Skala liegen dagegen Verl (170) und Schloss Holte-Stukenbrock (280) im Kreis Gütersloh sowie das für niedrige Steuersätze berühmte Monheim am Rhein (282). 

Lediglich eine einzige Gemeinde - Büren im Kreis Paderborn - hat die Grundsteuer gesenkt - allerdings nur um einen Prozentpunkt (auf 514). Die prozentual größte Steuererhöhung ist im rheinischen Eschweiler mit einem Plus von 72 Prozent festzustellen.

Kleineres Kuchenstück für die Kommunen

Um die Steuerspirale zu stoppen, müssten die Kommunen stärker an den Landessteuereinnahmen beteiligt werden, fordert der Bund der Steuerzahler. Derzeit seien sie es nur zu 23 Prozent. «Das Kuchenstück, das die Kommunen bekommen, ist kleiner geworden.»

«Kirchturmdenken ablegen»

Neben einer Altschulden-Lösung für die Kommunen seien auch verstärkte eigene Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung nötig, betonte Kanski, der als ehrenamtlicher «Spar-Kommissar» in diversen Städten mitgearbeitet hat. Dazu zähle mehr interkommunale Zusammenarbeit - von der Verwaltung über Kultur und Sport bis hin zu gemeinsamen Gewerbegebieten. Seine Empfehlung: «das berühmte Kirchturmdenken ablegen».

 

© dpa-infocom, dpa:240730-930-188272/2